Widerstandskreuz in Wattenheim von 1943
Bei der Neueinweihung des Kreuzes am 29.12.2024 durch Pfarrer Christian Rauch, des Pastoralraums Südliches Ried, am Ortseingang von Wattenheim, wurde auch auf die Geschichte des Kreuzes hingewiesen.
Im früheren Pfarrgarten von Biblis-Wattenheim, in dem heute das Bankgebäude der Raiffeisenbank Ried-Überwald steht, gab es seit August 2021 Baupläne, die eine Versetzung des Kreuzes aus dem Jahr 1943 nach sich gezogen haben. Es zeigte sich bald, dass dieses schlichte Kreuz mit der Inschrift:
O Volk O Land
O Volk O Land, vergiß nie
Deines Schöpfers Allmachthand
1943
ein ganz besonderes Kreuz ist, nicht vergleichbar mit den sonstigen Flurkreuzen. Der evangelische Pfarrer Arne Polzer hat schon vor mehreren Jahren auf die Brisanz dieses Kreuzes hingewiesen. Zu seiner Errichtungszeit war der Begriff „Volk“ von den Nationalsozialistischen Machthabern fest vereinnahmt. Wenn die Kirche den Begriff Volk verwendete wurde das schon als Affront gesehen. Der Glaube an die siegreiche Deutsche Wehrmacht erlitt nach der Niederlage in Stalingrad im Winter 1942 auf 43 tiefe Risse in erheblichen Teilen der Bevölkerung. Die Kirchen hatten zwar schon länger unter Beeinträchtigungen wie Verbot der religiösen Unterweisung der Kinder in den Schulen zu leiden gehabt. Aber besonders die katholischen Priester wurden vermehrt in Deutschland misstrauisch beobachtet, zu hunderten verfolgt, eingesperrt und teilweise ermordet.
So war es im Jahr 1943 besonders mutig vom Wattenheimer Pfarrer Georg Zimmermann ein solches gestiftetes Kreuz in seinem Garten an der Straßengrenze zu errichten. Pfarrer Zimmermann war sich der Gefahr wohl bewusst, denn am Kriegsende, als der Naziterror besonders wütete, versteckte er sich bis die Amerikaner da waren.
Aus den Eintragungen in der Pfarrchronik geht hervor, dass Pfarrer Zimmermann während des Krieges willkürlich sehr bedrängt war. So verbot ihm einmal die NS-Kreisleitung in Worms die übliche Feiertagsprozession. Positiv vermerkte er, dass der Wattenheimer NS-Ortsgruppenleiter sich dort dafür einsetzte, dass die Prozession dann doch noch stattfinden konnte. Später nahmen ihm die Nationalsozialisten ohne vertragliche Absprachen (Pachtvertrag oder ähnliches), einfach seinen Pfarrgarten ab, der als Nutzgarten Bestandteil seines Lebensunterhalts war. In den letzten Kriegsjahren beklagte er, dass ihm die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt zwei alleinstehende Frauen mit drei Kindern ins Obergeschoß des Pfarrhauses einquartiert hätten, das ihm damit faktisch entzogen war. Die Frauen und Kinder kamen wohl aus bildungsfernen Bevölkerungskreisen, nahmen keine Rücksicht auf sein Amt und Würden. Er war nicht mehr Herr im eigenen Haus. Die notwendige Ruhe war dahin. Zunehmend hatte er Angst vor „Katholikenhassern“ und bezeichnete einmal die Frauen im Obergeschoss als „Teufelsweiber“, die ihn zu regierungskritischen Aussagen provozieren sollten, um eine Handhabe zu finden, ihn nach Dachau zu bringen.
Sonntagsmorgens zu den Gottesdienstzeiten traf sich die Hitlerjugend. Es gibt noch die Erinnerung, dass der aus Rheinhessen stammende Pfarrer Zimmermann, Konfliktsituationen scheute und den Kindern sagte: „Buwe geht nur dorthin, geht nur dorthin“.
Wie sehr er unter Beobachtung stand belegt auch die Aussage eines weiteren Wattenheimer Zeitzeugen, der in den Kriegstagen Messdiener war, dass mehrmals nach dem Gottesdienst der Pfarrer in der Sakristei von 2 – 3 fremden Männern sprach, die er im Gottesdienst bemerkte, die ihn sehr besorgten und er aus Bedenken seine Predigt spontan abänderte und kürzte.